Vorreformatorische Kritik an religiöser Praxis am Beispiel von Joachim Vadians "Scholia in Pomponius Melam" (Wien: Singriener 1518)

Vadians Kommentar zum römischen Geographen Pomponius Mela darf neben der Poetik (De poetica et carminis ratione, Wien: Singriener 1518) als das bedeutendste Produkt seiner Jahre an der Wiener Universität gelten und hat in der rezenten Forschung bereits einige Aufmerksamkeit erhalten, nicht zuletzt im Rahmen eines neu erwachten Interesses an humanistischer Kommentarliteratur. Dabei werden jedoch fast ausschließlich die wesentlich umfangreicheren Basler Drucke ab 1522 betrachtet, die essayartige, oft aktualisierende, zeitkritische Exkurse enthalten und Vadian als Anhänger der Reformation zeigen (so z.B. in seiner Kritik an der den Heiligen zugeschriebenen Mittlerfunktion bei der Besprechung des Asklepioskultes von Epidaurus). Kaum beachtet wird dagegen, dass bereits der Wiener Druck – wenn auch in geringerem Umfang – kritische Bemerkungen zu Fastenpraxis und Werkgerechtigkeit sowie zu kostspieligem Funeralpomp, der der christlichen Auferstehungshoffnung zuwiderlaufe, enthält. In der vorgelegten Diplomarbeit werden die entsprechenden Abschnitte in Text und Übersetzung vorgestellt, kurz kommentiert und in Beziehung zu Aussagen von Reformatoren (Luther, Zwingli) sowie zur gelebten seelsorgerischen Praxis der evangelischen Kirchen gesetzt